Ein Kran entscheidet selbst

Automatikkran sorgt für Nachschub im Heizwerk

Für den Energieerzeuger Max Bögl Bioenergie plante und installierte der Kran- und Fördertechnikanbieter Erich Schäfer (ES) eine automatische Krananlage zum Einbringen und Abtragen von Brennmaterial für ein Biomasseheizkraftwerk. Dabei muss der Kran nicht zuletzt eigenständig auf den Füllstand der Lagerbunker achten, aus denen das Kraftwerk mit Brennstoff versorgt wird.

Die Firmengruppe Max Bögl mit Stammsitz in Neumarkt, Oberpfalz, wurde 1929 von Max Bögl sen. als Maurerbetrieb gegründet. Inzwischen beschäftigt das in dritter Generation privat geführte Bauunternehmen, das zu den fünf größten Deutschlands gehört, weltweit rd. 6000 Mitarbeiter. Ein Unternehmenszweig des Unternehmens ist die Max Bögl Bioenergie GmbH, in deren Aktivitäten die regenerative Energiegewinnung im Fokus steht.

Die Holzhackschnitzel werden mit einer Krananlage in Schubböden gefüllt

Um das Firmengelände im Werk Sengenthal mit Energie zu versorgen betreibt die Max Bögl Bioenergie GmbH ein Biomasseheizkraftwerk. Dieses BHKW versorgt das Betriebsgelände mit Prozesswärme in Form von Dampf und Warmwasser, der erzeugte Strom wird ins öffentliche Netz eingespeist.

Der Energielieferant für das BHKW ist Holz, das in Form von Hackschnitzeln angeliefert wird. Teilweise wird aber auch aus einer Sicherheitsreserve mit großen Maschinen Holz in Holzhackschnitzel verarbeitet. Diese werden dann mit einem Lkw in die Lagerhalle des BHKW transportiert und dort entladen (Bild 1). Nun muss das Brennmaterial in dafür vorgesehene Schubböden gefüllt werden, idealerweise mit einer speziell ausgestatteten Krananlage. Max Bögl betreibt in vielen Werken des Unternehmens Spezial-Krananlagen der Erich Schäfer GmbH & Co. KG (ES), daher sind Anwender und Lieferant inzwischen gut aufeinander eingespielt. Dies war auch ein Grund dafür, dass ES im Rahmen einer Ausschreibung diesen Auftrag für sich gewinnen und am 12. Oktober 2012 unterzeichnen konnte.

Nach der Ausschreibungsphase gestaltete sich der Projektverlauf wie folgt: Bei ersten Gesprächen beim Kunden Max Bögl in Sengenthal wurde am 21. Oktober 2012 der Projektumfang detailliert festgelegt. Bei Folgegesprächen, in die dann auch der Frachtvermessungsspezialist AKL-tec GmbH aus Alsdorf einbezogen wurde, definierten die Partner grundlegende Dinge der Krananlage und Leitwarte. Dementsprechend sollten keinerlei Bauteile auf dem Kran mitfahren und alle Betriebsdaten in der Leitwarte angezeigt werden. Da das Brennmaterial durch Lkw eingefahren wird, musste sicherheitstechnisch ausgeschlossen werden, dass es zu einer Kollision des Krans mit den Lkw kommt. Und schließlich forderte der Betreiber noch, dass die Krananlage nicht nur automatisch, sondern auch manuell per Funkfernsteuerung bedient werden können muss. So wurde entschieden, dass alle Bauteile in einem Zentralschaltschrank auf dem Hallenboden eingebaut werden. Dadurch können Wartungen und eventuelle Störungen ohne Hebebühne leicht vollzogen werden. Allerdings erhöht sich dadurch die Anzahl der im Schleppkabel verwendeten Leitungen, die zum Kran führen.

1 Als Heizmaterial für das Biomasseheizkraftwerk dienen Holzhackschnitzel, die mit einem Lkw in die Lagerhalle des BHKW transportiert und dort entladen werden

2 Um zum Entladen der Hackschnitzel in die Lagerhalle einzufahren, kann der Lkw-Fahrer den Kran über ein Bedienpult aus der Einfahrt fahren

Die Einfahrt in die Halle wird im Sinne des bereits erwähnten Kollisionsschutzes für Kran und Lkw durch Laserlichtschranken überwacht. Über ein Bedienpult (Bild 2) hat der Lkw-Fahrer die Möglichkeit, den Kran aus der Einfahrt zu fahren. Die Freigabe wird über eine Ampelanlage (Bild 3) signalisiert. Im nächsten Schritt beratschlagten die beteiligten Unternehmen über die Kranausstattung. War zunächst der Einsatz eines Zweischalengreifers angedacht, fiel die Entscheidung schließlich auf einen Mehrschalengreifer der MRS Greifer GmbH (Bild 4). Zweischalengreifer eignen sich für feines Fördergut und können bei geringer Materialhöhe noch gut die letzten Reste aufnehmen. Der Mehrschalengreifer jedoch taucht besser in das Brennmaterial ein und kann somit mehr Material pro Hub transportieren.

3 Eine Ampelanlage signalisiert dem Lkw-Fahrer, dass die Einfahrt zur Lagerhalle kranfrei ist

4 Für das Handling der Holzhackschnitzel wird ein Mehrschalengreifer eingesetzt

Das Zusammenspiel der Komponenten wurde regelmäßig getestet

Nach erfolgreicher Planungs- und Konstruktionsphase konnten die mechanischen und elektrischen Komponenten bei ES gefertigt werden. Zuvor wurden die beteiligten Mitarbeiter in das Projekt eingeführt, Unstimmigkeiten beseitigt und unterschiedliche Wissensstände ausgeglichen, sodass die weiteren Arbeiten zügig vollzogen werden konnten. Der Kran wurde mit den entsprechenden Bauteilen komplett bei ES gefertigt und bis zum 5. April 2013 zusammengebaut. Während der Fertigung konnte jederzeit das Zusammenspiel der Komponenten getestet werden, sodass bei auftretenden Problemen schnell hätte reagiert werden können. Dies war jedoch nicht erforderlich. Nach dem Zusammenbau der mechanischen Kranteile wurde in Verbindung mit AKL-tec vom 11. bis zum 16. April eine Vorinbetriebnahme durchgeführt. Für den Transport der vormontierten Krananlage am 22. April 2013 vom ES-Werk in Siegen zu Max Bögl in Sengenthal mussten Ausnahmegenehmigungen beantragt werden. Die Anlieferung der einzelnen Komponenten erfolgte durch hauseigene Transportmittel.

Vor Ort wurden die einzelnen Bauteile des Kranes mit einem Autokran auf die Kranbahn befördert und dort mit Hilfe von Hebebühnen in der Luft zusammengebaut. Dazu gehörte die Montage von Reflektoren oder Endschalterauslösern und das Verlegen und Anschließen der Schleppleitung. Letztlich war dies für die ES-Monteure jedoch kaum mehr als Routinearbeit, die am 26. April abgeschlossen wurde.

5 Die zuvor beim Hersteller geprüfte Anlage wurde vom 29. April bis zum 4. Mai 2013 in Betrieb genommen

In der Testphase wurden alle denkbaren Einsatz- und Störfälle durchgespielt

Die zuvor im Hause ES geprüfte Anlage wurde nun vom 29. April bis zum 4. Mai 2013 in Betrieb genommen (Bild 5). Die auftretenden kleineren Abstimmungsfehler konnten schnell in Zusammenarbeit mit AKL-tec behoben werden. Der Greifer wurde direkt zum Kunden geliefert und dort an der Krananlage befestigt. In der nun folgenden Testphase zwischen dem 6. und dem 8. Mai wurden alle denkbaren Einsatz- und Störfälle durchgespielt und Verfahrwege angepasst, um optimale Prozessabläufe zu gewährleisten. Die Abnahme durch einen ES-Kransachverständigen gestaltete sich reibungslos und wurde am 10. Mai erfolgreich abgeschlossen. Mechanik, Elektrik und Steuerungstechnik funktionierten einwandfrei, sodass der Kran schließlich am 14. Mai 2013 an Max Bögl übergeben werden konnte.

Im Verlauf der Übergabe wurden die Max-Bögl-Mitarbeiter mit der Anlage vertraut gemacht und im Umgang mit den automatischen Abläufen sowie dem manuellen Betrieb geschult.

Die Steuerung ist auf dem Hallenboden montiert und beinhaltet alle Steuer- und Regelungseinheiten sowie die Sicherheitsüberwachung. Das Hubwerk sowie die Katz- und Kranfahrten werden mit Demag-Frequenzumrichtern des Typs „Dedrive Pro“ geregelt und erlauben so ein variables und punktgenaues Anfahren der durch das Volumenmesssystem „Apache“ von AKL-tec vorgegebenen Koordinaten. Um einer eventuellen Brandgefahr vorzubeugen, wurden die bei Frequenzumrichtern üblichen Bremswiderstände, in denen die anfallende Bremsenergie der Motoren in Wärme umgewandelt wird, in einem gekühlten und temperaturtechnisch überwachten zweiten Schaltschrank eingebaut.

Erst nach der Lkw-Entladung wird der weitere Betrieb des Kranes freigegeben

Bevor die Lkw-Entladung durchgeführt werden kann, muss das Personal über ein Bedienpult die Freigabe der Tordurchfahrt anfordern. Dadurch wird der Kran in eine definierte Parkposition gefahren und dort für den Zeitraum des Entladevorgangs sicherheitstechnisch überwacht. Ohne diese Anforderung würde der Kran bei Einfahrt in die Halle abgeschaltet werden.

Über das Bedienpult wird nach der Lkw-Entladung der weitere Betrieb des Kranes freigegeben. Die beiden Toreinfahrten werden sicherheitstechnisch mit Laserlichtschranken überwacht. Bei einer Kontrollfahrt vermessen zwei Lasermesssysteme von Sick, Typ LMS 500, die Höhe des Brennmaterials innerhalb der rd. 35 m × 32 m großen Arbeitsfläche des Krans und errechnen so eine dreidimensionale Koordinate, wo zu diesem Zeitpunkt die Brennmaterialhöhe am höchsten ist.

Die Position des Greifers wird durch zwei auf dem Kopfträger des Kranes angebrachte Sick-Laserentfernungsmesseinheiten, Typ DME, erfasst. Die Achse der Kranfahrt wird mit Hilfe eines Reflektors an der Hallenwand und die Position der Katze mit Hilfe eines Reflektors an der Katze ermittelt. Die Seillänge des Hubwerks und somit die Höhe des Greifers wird durch einen Absolutwertgeber ermittelt.

Alle diese Messsysteme sind über eine speicherprogrammierbare Steuerung (SPS) des Typs „Siemens S7 CPU (315-2 DP)“ mit einem Embedded Controller PC (Core2Duo) und der Kransteuerung verbunden. Somit kann der Greifer positionsgenau im Brennmaterial abgesetzt werden.

6 Vom Lagerplatz transportiert der Kran das Brennmaterial in einen von zwei Bunkern, von wo aus es zum Heizkraftwerk abgefördert wird

7 Bei Ausfall der automatischen Steuerung kann der Kran manuell mit Hilfe einer Funkfernsteuerung bedient werden (Bilder: Erich Schäfer)

Der Arbeitsbereich des Krans ist durch Laserschranken abgesichert

Nach erfolgreichem Greifvorgang transportiert der Kran das Brennmaterial in einen der beiden Bunker (Bild 6), von wo aus es abgefördert wird. Der Kran wartet solange über diesen Bunkern, bis durch die LMS 500 erkannt wird, dass die Füllung eines Bunkers zu Neige geht und eine Nachfüllfahrt ausgelöst wird.

Um höchsten Arbeitsschutz zu gewährleisten, sichern Laserschranken den Arbeitsbereich des Krans ab. Beim unbefugten Betreten dieses Bereiches stellt der Kran seine Arbeit automatisch ein.

Das System erkennt die Höchst- und Tiefststände des Brennmaterials und ist dafür ausgelegt, selbstständig das Brennmaterial gleichmäßig zu verteilen. So können die Holzhackschnitzel besser trocknen und der Lagerraum wird gleichmäßig ausgenutzt.

Ein manuelles Bedienen der Krananlage ist durch Umschalten der Betriebsart möglich. Sollte es zu einem Ausfall der automatischen Steuerung der Krananlage kommen, kann der Kran manuell mit Hilfe einer Funkfernsteuerung bedient werden (Bild 7). So kann das BHKW sogar bei einer Störung weiterbetrieben werden. Betriebsdaten und gegebenenfalls Warnungen vor Störungen werden in der Leitwarte angezeigt. Ebenfalls kann zwischen verschiedenen Arbeitsprogrammen umgeschaltet werden. Als Erweiterung können gewisse Daten den Verantwortlichen aufs Smartphone gesendet werden.

Mit der Übergabe der Dokumentationen am 14. Mai 2013 wurde das Projekt „Automatikkran mit Mehrschalengreifer“ erfolgreich abgeschlossen.

Markus Kläs
ist Elektrokonstrukteur und Projektbeauftragter bei der Erich Schäfer GmbH & Co. KG